Hochwasserschutz

30. Juli 2024

BUND widerlegt Positionspapier der CDU-Landtagsfraktion

Tagelanger Dauerregen mit Regenmengen zwischen verbreitet 100 und 200, lokal auch 300 Liter Regen pro Quadratmeter, führte zwischen dem 30. Mai und dem 4. Juni 2024 in ganz Süddeutschland zu einer extremen Hochwasserlage. Mehrere Menschen kamen dabei ums Leben. Die Sachschäden schätzen Versicherungen auf etwa zwei bis drei Milliarden Euro. 

Die CDU-Landtagsfraktion Baden-Württemberg hat nun ein Positionspapier mit dem Titel "Hochwasserschutz heißt Leben schützen" veröffentlicht. Darin schlägt sie verschiedene Maßnahmen zum Hochwasserschutz vor. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Baden-Württemberg hat die einzelnen Vorschläge geprüft und bewertet.

  • These 1: Baulicher Hochwasserschutz sollte vorrangig behandelt werden.
    Das sehen wir anders: Der Bau von Dämmen und Schutzmauern ist teuer und verlagert das Problem häufig auf andere Gebiete flussabwärts, wo durch den erhöhten Abfluss die Hochwassergefahr bei den Unterliegern sogar steigen kann.
    Was wir vorschlagen: Natürliche Hochwasserschutzmaßnahmen wie die Renaturierung von Flüssen und Auen und die Förderung von Schwammlandschaften verbessern die natürliche Wasserrückhaltefähigkeit in der Fläche, reduzieren die Hochwasserspitzen und fördern gleichzeitig die Biodiversität.
     
  • These 2: Der Schutzstatus von Gebieten steht dem (baulichen) Hochwasserschutz häufig im Weg.
    Das sehen wir anders: Dass Landschaften als Naturschutzgebiete ausgewiesen werden, bedeutet nicht, dass sie nicht auch anderen Zwecken wie beispielsweise dem Hochwasserschutz dienen können. Dies gilt vor allem für Schutzgebiete mit naturnahen Gewässern und Feuchtgebieten wie Mooren, die Wasser aufnehmen und langsam wieder abgeben können. Was wir vorschlagen: Anstatt Schutzgebiete durch neue Barrieren wie Hochwasserschutzwände weiter zu zerschneiden, sollten diese Gebiete bewahrt und gestärkt werden.
     
  • These 3: Der Naturschutz verstärkt Hochwasser, da zum Beispiel Entwässerungsgräben nicht ohne weiteres von abflussverzögernder Vegetation gereinigt werden dürfen.
    Das sehen wir anders: Die Vegetation in Entwässerungsgräben spielt eine wichtige Rolle in deren Abflussregime, da sie Wasser aufnimmt, den Abfluss verlangsamt und Erosion verhindert. Das Entfernen dieser Vegetation beschleunigt den Wasserabfluss, was die Hochwasserrisiken flussabwärts erhöht. In der Tat kann es vorkommen, dass angrenzende Flächen - häufig Acker oder Grünland - zeitweise unter Wasser stehen. Das kann Schäden anrichten. Jedoch ist der entstehende Schaden erheblich geringer als die Schäden und Gefahren von Überflutungen im Siedlungsbereich.
     
  • These 4: Hochwasser (im Grünland) schadet der Biodiversität.
    Das sehen wir anders: Hochwasserereignisse sind natürliche Prozesse, die zur Dynamik und Vielfalt von Ökosystemen beitragen. Temporäre Überschwemmungen im Grünland können wertvolle Lebensräume schaffen und die Bodenfruchtbarkeit erhöhen. Ein diverser und intakter Lebensraum kann sich besser an extreme Wetterereignisse anpassen und so die langfristige Biodiversität fördern.
    Allerdings können bei Hochwasser auf landwirtschaftlich genutztem Grünland ökonomische Schäden für Bäuerinnen und Bauern entstehen, weil Ackerfrüchte absterben oder Grünlandaufwuchs durch Treibgut und Verunreinigungen nicht mehr als Viehfutter eingesetzt werden kann.
    Was wir vorschlagen: Betriebe, deren landwirtschaftliche Nutzflächen von Hochwasser betroffen sind, müssen für die Erbringung der gesellschaftlichen Leistung Hochwasserschutz entschädigt werden.
     
  • These 5: Um Hochwasserschutz zu vereinfachen, sollten gesetzliche Standards zur Umweltverträglichkeit bzw. Alternativenprüfung herabgesetzt werden.
    Das sehen wir anders: Die Herabsetzung naturschutzrechtlicher Standards würde kurzfristig vielleicht einige bauliche Projekte erleichtern, langfristig aber zu erheblichen Umweltschäden führen: Umweltverträglichkeitsprüfungen sind essenziell, um sicherzustellen, dass Eingriffe wie bauliche Hochwasserschutzmaßnahmen nicht zu unvorhergesehenen negativen Auswirkungen auf die Umwelt führen. Die Prüfungen fördern auch die Entwicklung nachhaltigerer und effizienterer Lösungen. Der Schutz der Umwelt und die Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnahmen schließen sich nicht gegenseitig aus, das Gegenteil ist der Fall.
     
  • These 6: Biber verstärken die Auswirkungen von Hochwasser. Durch naturschutzrechtliche Ausnahmegenehmigungen soll der Biber aus Retentionsräumen entnommen werden.
    Das sehen wir anders: Biber spielen eine wichtige Rolle im Ökosystem, da sie durch ihre Aktivitäten natürliche Rückhalteräume schaffefn, die zur Wasserrückhaltung und -filterung beitragen. Ihre Dämme können die Wasserrückhaltefähigkeit von Landschafen erhöhen und die Hochwasserspitzen abmildern. Das Vorkommen von Bibern bzw. Bibiberdämmen kann die durchschnittlichen Hochwasserabflüsse um bis zu 60 Prozent abschwächen. Die Entahme von Bibern würde die langfristige Fähigkeit der Landschaft zur Hochwasserbewältigung verringern und den Hochwasserschutz folglich schwäschen.
  • These 7: Zur Abmilderung von Hochwasserschäden in der Landwirtschaft soll ein flexiblerer Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ermöglicht werden.
    Das sehen wir anders: Sind Acker- oder Grünlandflächen mehrere Tage bis Wochen überflutet, kommt es auf diesen Flächen häufig zu Totalausfällen, weil Feldfrüchte absterben oder Grünlandaufwuchs durch Verunreinigugnen nicht mehr als Futter genutzt werden kann. Dagegen hilft auch kein Einsatz von Pestiziden. Stattdessen sollte landwirtschaftlichen Betrieben der entstandene Schaden ersetzt werden. Der Einsatz von Pestiziden schädigt sowohl akut als auch langfristig die Natur, einschließlich Wasserqualität und Bodenfruchtarkeit.
  • These 8: Landwirtschaftliche Betriebe müssen bei Hochwasserschäden schnell und unbürokratisch Unterstützung/Entschädigung erhalten.
    Das unterstützen wir: Andauernder Starkregen und Hochwasser können dazu führen, dass Feldfrüchte absterben und landwirtschaftliche Flächen vereunreinigt werden. Dies zerstört nicht nur die Ernte, sondern macht den Aufwuchs auch unbrauchbar und für die alndwirtscahftliche Nutzung. Gleichzeitig schützt das wasser, das auf Äckern und Wiesen zurückgehalten wird, andere Gebiete vor Überschwemmungen, insbesondere Siedlungsbereiche. die Schäden in diesen Gebieten wären nicht nur ökonomisch deutlich höher, sondern würden auch eine größere Gefahr für Leib und Leben der Anwohner*innen darstellen.
    Vor diesem Hintergrund erleiden Bäuerinnen und Bauern einen ökomischen Schaden, der die restliche Bevölkerung.

Quelle: Argumentationshilfe/Faktencheck zum Positionspapier der CDU-Landtagsfraktion Baden-Württemberg "Hochwasserschutz heißt Leben schützen"

Fragen zum Thema Hochwasserschutz beantwortet Christoph Schramm, BUND-Referent für Landwirtschaft und Wald, per E-Mail an christoph.schramm(at)bund.net

 

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